Im Oktober war unser FI-TS Kollege Sven Brauer bei der Triathlon-Weltmeisterschaft, dem Ironman auf Hawaii, dabei! Ich hatte es im ersten Blogbeitrag zum Thema angekündigt und heute berichtet Sven im Interview über seine Teilnahme. Was für eine Leistung bei klimatisch doch sehr anstrengenden Bedingungen! Er kam nach knapp elf Stunden ins Ziel. In seiner Altersklasse belegt Sven den 67. Platz. Insgesamt liegt er auf dem 979. von 2364 Plätzen.
Anreise und Stimmung in Kona
„Ich bin bereits 10 Tage vor dem Rennen angereist und war schon von Anfang an total von dem Flair der Insel und vor allem von dem Treiben in Kona begeistert.“
„Kannst du das Flair beschreiben?“ frage ich.
„Es ist ein ganz spezielles Feeling. Jedes Jahr „pilgern“ die besten Triathleten der Welt in das Mekka Kailua Kona! Alle sind aufgeregt und müssen ganz dringend nochmal Material checken und beim Training die Muskeln spielen lassen. Ich habe noch nicht so viele extrem durchtrainierte Menschen beim Schwimmtraining auf einem Haufen erlebt, dagegen kommt man sich trotz schlanker Figur etwas unfit vor.“ Ja, klar, „unfit“, denke ich und lausche Svens Ausführungen.
„Trotzdem habe ich meine allmorgendlichen Schwimmeinheiten sehr genossen, das Wasser im Ozean war angenehm warm und die Wellen waren meistens kein Problem.
In ca. 500m Entfernung vom Pier ist in der Race-Woche das sogenannte Coffee-Boat vor Anker. Einen originalen Kona Kaffee (sehr lecker) an diesem Boot zu nehmen ist Plicht und legendär!“
Sven erzählt mir, dass dieser Kaffee in Vergleich zu unserem Standard hier in Deutschland sehr stark und besonders aromatisch sei.
„Aber das Flair der Insel ist nicht nur wegen des anstehenden Ironman besonders. Wir haben in der Vorwoche zum Rennen viele ganz schöne Naturschauspiele bewundern können, wie Lavafelder und aktive Vulkane. Oder beim Schnorcheln: Plötzlich taucht eine Meeresschildkröte auf und ist voll zutraulich!“
Die Wettkampfvorbereitung
In der Vorbereitungs-Woche hat mir Sven bereits einige Foto-Eindrücke aus Kailua geschickt: Schwimmtraining, Lauftraining und auch ein Foto, auf dem er zusammen mit Faris Al-Sultan, dem Trainer vom diesjährigen Ironman Patrick Lange zu sehen ist. Ich möchte gern wissen, wo er Faris Al-Sultan getroffen hat.
„Faris habe ich auf der Wettkampfbesprechung, ein paar Tage vor dem Triathlon, gesehen. Hier wurden noch einmal „Geheim-„Tipps zur Renn-Taktik für die speziellen klimatischen Besonderheiten gegeben. Diese sehr erfahrenen Triathleten und Trainer haben versucht, uns ein wenig auf die Strapazen beim Rennen vorzubereiten. Neben Faris war unter anderem auch Thomas Hellriegel dabei, der erste Deutsche, der 1997 die Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii gewinnen konnte.“
Der Wettkampftag – Ironman 2017
Ich bin gespannt, ob die Geheim-Tipps geholfen haben und frage Sven nach seinem Start in den großen Tag.
„Am Wettkampftag bin ich dann doch etwas aufgeregt. Um ca. 5 Uhr morgens laufen neben mir Hunderte Triathleten Richtung Pier zum Bodymarking. Hier wird die Startnummer auf die Oberarme oder Unterarme aufgebracht, damit man beim Schwimmen identifiziert werden kann.
Ich frage mich, ob meine Konkurrenten die gleichen gemischten Gefühle so kurz vor dem Start haben wie ich? Ihre Gesichter spiegeln Vorfreude, Anspannung, Begeisterung, aber auch Respekt und Angst wider. Die Wechselzone ist auch schon voll. Die Athleten überprüfen hier nochmal ihre Räder, auch ich checke nochmal den Luftdruck und bringe meine Verpflegung (Gels und Riegel) am Rad an.
Noch ein letzter Gruß an Mister Tagesschau Thorsten Schröder, der ein paar Meter neben mir seine Radflasche mit Iso füllt, und dann aber zum Schwimmstart.“
Das Schwimmen
Beim Ironman Hawaii gibt es einen Wasserstart. Das heißt, dass sich alle Athleten bereits vor dem Start im Wasser vor einer imaginären Linie aufhalten.
„Wie ist denn das Gefühl so kurz vor dem Start im Wasser, Sven?“
„Wie du dir vorstellen kannst, wurde es kurz vor sieben schon ziemlich eng an der Startlinie“, erzählt er mir.
„Stehen konnte man dort nicht mehr, also paddeln alle Teilnehmer auf der Stelle. Als dann kurz nach sieben Uhr der Startschuss fällt, wird es richtig hektisch. Wenn gleichzeitig über 1500 Athleten auf so engem Raum Vollgas anschwimmen, ist Körperkontakt nicht zu vermeiden. Gut, dass meine Schwimmbrille nach 100 Metern noch da war, wo sie hingehörte.“
„Wie unterscheidet sich das Schwimmen hier zum Schwimmen beim Triathlon in Deutschland?“, möchte ich wissen.
„Schwimmen im Ozean ist eh eine ganz eigene Sache“, klärt mich Sven auf: „Du musst dich an die Wellen gewöhnen und beim Atmen darauf achten, kein Salzwasser zu schlucken. Aber ich habe das ja in den letzten Tagen bereits geprobt und so klappte es auch ganz gut. Speziell in Kona ist aber auch der Massenstart. Der bedeutete für mich leider ein „Hauen und Stechen“ auf der gesamten 3.8km langen Strecke, da sich das Feld kaum entzerrte.
Ich kam dann doch recht zufrieden nach ca. einer Stunde und 10 Minuten aus dem Wasser, habe in der Wechselzone meine Radschuhe angezogen, Helm auf und ab aufs Rad.“
Das Radfahren
Die Radstrecke beim Ironman Hawaii ist 180 Kilometer (112 Meilen) lang und verläuft in nördlicher Richtung entlang der Kona- und Kohala-Küste bis zum Anstieg und Wendepunkt in Hawi und dieselbe Route zurück nach Kona.
Sie ist ziemlich hügelig mit Anstiegen von bis zu 6 Prozent. Das ist der erste Unterschied zur Radstrecke in Hamburg.
„Die Hitze und der starke Wind von über 65km/h sind aber das eigentliche Problem auf Hawaii und machen einem das schnelle Radfahren ziemlich schwer“ erzählt mir Sven. „Ständig mussten wir auf dem Rad gegenlenken, um uns auf der Straße zu halten. Das sind natürlich ganz andere Bedingungen als in Hamburg und das macht sich in der Zeit bemerkbar.
In Hamburg war ich eine eine knappe halbe Stunde schneller auf der Radstrecke.
Schon ziemlich kaputt von dem andauernden Gegenwind bin ich nach 5:36h in die Wechselzone gerollt, wohl wissend, dass mit dem abschließenden Marathonlauf die größte Herausforderung noch auf mich wartete.“
3. Disziplin: Der Marathon
Die ersten ca. 15 km geht der Lauf-Kurs auf dem Ali’i Drive mit Publikumsunterstützung durch Kona. Anschließend laufen die Triathleten auf dem unendlich wirkenden Highway nach Norden und wieder zurück.
„Wie ist es dir beim Marathon ergangen?“ möchte ich wissen. „Es gab viele Berichte, wie schwer gerade die Strecken über den einsamen Highway und durch das Energy Lab sein sollen“.
„In der Tat, vor diesem Teil des Wettkampfes hatte ich den allergrößten Respekt. Die hohe Luftfeuchtigkeit und Hitze bis an die 40 Grad sind definitiv überhaupt nicht meins im Wettkampf.
An diesem Tag schien unbarmherzig die Sonne und bereits auf den ersten Kilometern habe ich äußerste Zweifel, diese Tortur durchzustehen.
Jetzt konnte nur noch mentale Stärke helfen und so versuche ich immer nur von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation zu ‚denken‘ und nach dortiger Abkühlung mit Eis, Wasser und Schwämmen weiterzulaufen.
‚Oben‘ auf dem Highway steigt noch einmal die Temperatur und diese kerzengerade Straße lässt mich an die absoluten Reserven gehen. In sich gekehrt habe ich zu diesem Zeitpunkt im Rennen immer noch Zweifel, ob das wirklich so eine gute Idee war, den Slot für Hawaii anzunehmen, und wünsche mir einen kühlen heimatlichen Regenschauer herbei.
So bei ca. Kilometer 26 – kurz vor dem „Natural Energy Lab“ (eine Forschungsstätte für erneuerbare Energien) – treffe ich nochmals Thorsten. Dem geht es auch nicht besser und so laufen wir einige „heiße“ Kilometer gemeinsam, bis ich mich etwa 50m absetzen kann. Diese kleine Challenge hat mich nochmal ganz gut bis ins Ziel motiviert.“
Der Zieleinlauf auf Hawaii
„Haha, sehr gut. Und wie war dein Zieleinlauf, Sven?“
„Der war sehr emotional. Die letzten Meter an der Strecke und speziell im Zielkanal mit den vielen jubelnden Zuschauern waren so fantastisch.
In dem Moment habe ich realisiert, was ich an dem Tag vollbracht habe und bin super happy und stolz.
Ich habe mich noch nie so sehr über eine (für mich eher mäßige) Marathonzeit von 3h:57min. gefreut und bin froh, noch ein Daylight-Finish mit einer Gesamtzeit von unter 11 Stunden erreicht zu haben.“
So ca. 2h nach dem Rennen schiebe ich langsam mein Rad mit meiner Finisher-Medaille gedankenversunken Richtung Hotel. Und immer wieder werde ich von mir entgegenkommenden Menschen beglückwünscht: ‚Well done, good job’…dieses großartige Gefühl am Abend des Rennens werde ich wohl nie vergessen“.
„Wow, so ein Gefühl muss unglaublich schön sein“, denke ich. Na dann: „Mahalo nui loa!“, sage ich und bedanke mich damit auf hawaiianisch für das tolle Interview bei meinem unglaublich fitten Kollegen Sven Brauer.